Die neue Pflegereform – Wie fällt die Bilanz aus?
Seit Anfang des Jahres wurde durch das Inkrafttreten des Pflegestärkungsgesetzes II ein weiterer Schritt zur Reform der Pflegeversicherung umgesetzt. Mehr als acht Monate sind seitdem schon wieder vergangen. Zeit genug, um einmal Bilanz zu ziehen.
Eine Reform in die richtige Richtung
Die größte Reform der Pflegeversicherung sollte es werden. Kein pflegebedürftiger Mensch sollte schlechter gestellt werden. Die bisherigen drei Pflegestufen wurden in fünf neue Pflegegrade umgewandelt. Zukünftig sollte sich die Pflege nicht nach minutengenauer Abrechnung, sondern nach einem Punktesystem richten. Das sollte der tatsächlichen Dauer der benötigten Unterstützung viel gerechter sein. Zusätzlich sollten Menschen mit Beeinträchtigungen der Wahrnehmung, der Aufmerksamkeit und des Erinnerns auch Zugang zu den Pflegeleistungen erhalten. Das betrifft vor allem Demenz-Kranke. Damit wurde praktisch der Begriff der Pflegebedürftigkeit völlig neu definiert. Die Kosten der Reform sollen dabei pro Jahr etwa fünf Millionen Euro betragen, finanziert teilweise durch eine Erhöhung der Betragssätze um 0,2 Prozent.

Besonders die ambulante Pflege sollte gestärkt werden. So steht Menschen, die eine häusliche Betreuung in Anspruch nehmen, seit Januar mehr Geld zur Verfügung. Das bedeutet gleichzeitig auch eine weitere Entlastung für pflegende Angehörige. Das neue Begutachtungsverfahren des Medizinischen Dienstes der Krankenversicherung (MDK) ermöglicht nun etwa 280.000 Menschen mehr, Pflegeleistungen zu erhalten. Laut Schätzungen des Bundesgesundheitsministeriums sollen es mittelfristig sogar 500.000 Menschen werden.
Was hat sich verändert?
Durch die Reform haben jetzt mehr Menschen Anspruch auf Pflegeleistungen. Nun veröffentlichte der MDK auch öffentliche Zahlen. Demnach sind im Zeitraum zwischen Januar bis Juli 2017 bereits mehr als 175.000 Menschen zusätzlich anerkannt worden, die noch unter dem alten System von der Pflegekasse keine Leistungen erhalten hätten. Das betrifft vor allem Menschen, die in den Pflegegrad 1 eingestuft worden sind und jetzt Beratungen zu Hause, Zuschüsse für Pflegehilfsmittel oder für die Verbesserung des Wohnumfeldes erhalten. Noch im April rechnete der MDK mit insgesamt rund 200.000 zusätzlichen Personen für das Jahr 2017. Deutlich gestiegen ist auch die Quote der Anerkennung. Lag sie noch im letzten Jahr bei etwa 75 Prozent, so können sich in diesem Jahr bereits 84 Prozent über einen positiven Bescheid und einer Anerkennung in einem Pflegegrad freuen. Auch sind in vielen Fällen Pflegebedürftige in einen höheren Pflegegrad eingestuft worden.
Aber es gibt auch Verlierer!
Deutlich besser gestellt jetzt sind vor allem ambulant gepflegte Demenzkranke. Bei der Begutachtung werden nun auch Personen mit eingeschränkten kongnitiven Fähigkeiten berücksichtigt. Vielen von ihnen wurden die Pflegeleistungen bisher verweigert, weil sie im Anfangsstadium ihrer Krankheit häufig noch körperlich fit waren.
In den Pflegeheimen sieht es dagegen ganz anders aus. Auch wenn hier die Pflegebedürftigen noch vieles selbständig erledigen können, muss trotzdem bei vielen Tätigkeiten immer eine Pflegekraft anwesend sein. Das bedeuted, dass Demenzkranke, die neu ins Pflegeheim kommen, seltener in die höheren Pflegegrade Vier oder Fünf eingestuft werden.
Das wiederum hat Konsquenzen auf das Pflegepersonal. Denn die Einstufung der Pflegegrade hat Auswirkungen auf den Personalschlüssel. Somit wird durch niedrigere Pflegegrade der weitere Abbau beim Pflegepersonal und schließlich eine schlechtere Betreuung in den Pflegheimen begünstigt. Alte Heimbewohner mit höheren Pflegegraden sterben – neue Heimbewohner werden nicht mehr in die höheren Pflegegrade eingestuft. Eine Spirale, die den Pflegenotstand in Deutschland weiter fortschreiten lässt.
Und auch die verbleibenden Pflegekräfte in den Heimen kann man als Verlierer sehen. Für sie ist die ohnehin schon hohe Belastung durch den Personalabbau noch weiter gestiegen.
Fazit: Es muss noch nachgebessert werden
Um eine abschließende Bilanz über das Pflegestärkungsgesetz II zu ziehen, muss die Entwicklung sicherlich noch längerfristig betrachtet werden. Eins kann man aber auf jeden Fall schon feststellen. Zumindest für die ambulante Pflege ist die durchgeführte Reform ein wichtiger Schritt in die richtige Richtung.
Wir befürworten Pflege und Betreuung in den eigenen vier Wänden. Betroffenen sollte die häusliche Pflege so lange wie es geht ermöglicht werden. Nonstop-Pflege bietet hierzu mit der 24-Stunden-Pflege ein schlüssiges Konzept an. In Verbindung mit ambulanten Pflegediensten kann damit eine „Rund-um-die-Uhr-Betreuung“ in den meisten Fällen realisiert werden. Sicherlich lässt sich aber auch in bestimmten Fällen eine Heimunterbringung nicht verhindern. Und hier sind die Mängel der Pflegereform weiterhin sichtbar. Es muss also dringend nachgebessert werden.
Die Politik ist weiterhin Antworten auf wichtige Fragen schuldig geblieben. Etwa: Wie können wir den Pflegenotstand insbesondere in den stationären Pflegeeinrichtungen beseitigen? Wie können die Qualität und die Standards in der Pflegebranche verbessert werden? Und ganz wichtig: Wie kann dem Fachkräftemangel in den Pflegeberufen entgegen gewirkt werden?
Die Pflege bleibt weiterhin im Brennpunkt!